Der gute Morgen

Bin heute mal wieder erwacht, was für ein Glück, danke an Gott. Das fängt schon mal gut an, dachte ich so bei mir. Mit vollem Elan schwang ich mich aus den Federn, wobei ich wegen meiner Allergie auf alles Mögliche gar keine Federn besitze, sondern nur eine Baumwollsteppdecke, aber man sagt das ja eben so, und stieß mit dem kleinen Zeh gleich mal an meine Lieblingskante. Mit einem lautem "Aua!" rufend und einen an sich unaussprechlichem Fluch, der aber an sich vergebungswürdigen Art, begab ich mich ins Bad. Schon beim Bedienen der Toilettenspülung schwante mir nix gutes, denn das Wasser lief nicht nach. Das Aufdrehen der Dusche bestätigte meinen Verdacht, kein Wasser an Bord! Na prima, also einen Kanister aus dem Patio geholt, Katzenwäsche, kalt versteht sich, Zähneputzen, an sich erst nach dem Frühstück nötig, aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier, dann anziehen. Alles durchgucken, Wasseranschluss überprüfen, ist der Hahn überhaupt auf, na klar, gestern gab es ja noch welches, Nachbarn fragen. Stellte sich als super Idee heraus, die hatten auch kein fließendes Wasser aus dem Hahn, nun ja, dann war es eben so. Bei der Aquaguest anrufen wäre von Vorteil, ging aber nicht, da auch die Telefonleitung irgendwie nicht vor Lebendigkeit sprühte. Mobiles Telefon? Ja klar, nur der Funkmast hatte wohl auch einen Dachschaden, kein Empfang! So langsam kam mir das schon etwas spanisch vor, aber so wirklich konnte mich das noch nicht aus der Ruhe bringen. Erstmal einen Kaffee kochen und ihr denkt falsch, wenn ihr jetzt denkt, kann sie ja gar nicht, kein Strom, kein Kaffee! Nicht mit mir, wir haben Gas, aus der Flasche, also quasi autark in diesem Sinne. Nach dem Kaffee mit viel Milch und heute ausnahmsweise mal Zucker, ging es mir frauvorragend gut. Gut, dachte ich, dann mal das Rad gesattelt und ab zum Einkaufen. Der Tag ist schön, die Sonne lacht, nur mein Gesicht lachte nicht, denn, wer kann es erraten? Genau, mein Fahrrad war platt, und nicht etwa vor Freude mit mir zu radeln, nein, einfach ohne Luft platt. Alter Schwede, was habe ich nur verbrochen? Nö, nix, da bin ich mir sicher, ganz sicher sogar! Nun mal erst die Luftpumpe, äh, wo war die jetzt mal noch gleich? Ach ja, im Schuppen, Schlüssel? Also gestern hing er noch hier am Bord, wo war es jetzt? Fragen, die man am frühen Morgen nicht beantworten kann, nerven, und zwar gewaltig! Aber bringt einen irgendwie auch nicht weiter, also, Ideen voran bitte. Kurz entschlossen nahm ich meinen Einkaufskorb und stiefelte los, also nicht wirklich, latschen wäre wohl der richtige Ausdruck, na ja, an sich ist ja klar, was ich meine. Nach gut einer Viertelstunde, man muss ja nicht hetzen, betrat ich den Supermarkt und versuchte, Schwerpunkte zu setzen, immerhin sollte ja alles geschleppt werden, mal abgesehen davon, dass ich das wegen meines Bandscheibenvorfalles gar nicht darf ... andere Geschichte, ist jetzt nicht der Punkt. Also, Ziegenmilch? Nee, zu schwer, lieber nur einen Jogurt und ein frisches Brötchen der körnigen Art, ein paar Bananen, Äpfel, Kartoffeln, frischen Fisch unbedingt, meine Lieblingsverkäuferin winkt mich schon an den Stand, eine Melone und Eis, unbedingt, der Rumtopf muss noch weg, also nicht unbedingt, aber ich brauche den Pott für den neuen Ansatz. Stress breitet sich aus, alles viel zu schwer! Entnervt lasse ich die Hälfte vom Einkauf zurück und begebe mich auf den Rückweg. In der nächsten Bar trinke ich erstmal einen Café con leche. Pause. Muss nicht sein, tut aber gut. Irgendwie schmerzen auch meine Füße, weiß gar nicht warum. Ach ja, der Zeh von heute morgen, natürlich blau sozusagen! Zuhause angekommen begrüßt mich die Nachbarin mit den Worten " Water is running , God bless!", na, wenigstens etwas. Strom ist auch wieder da, denn das Telefon klingelt wie verrückt und hat auch noch vier Nachrichten auf dem Anrufbeantworter. Wie lange war ich weg? Unglaublich, wenn nun auch noch mein Rad sich selbst wieder Luft gegeben hat ... na ja, wollen mal nicht übertreiben.


Plötzlich steigt mir ein köstlicher Duft von frischen Kaffee in die Nase, mein Schatz lässt die Sonne ins Zimmer und zupft liebevoll an meinem kleinen Zeh. Verschlafen sehe ich ihn, kam mir doch gleich so merkwürdig vor, dass er gar nicht da war, wo er doch sonst immer ... mein Zeh tut auch nicht weh. Alles gut. Mein Schatz bekommt einen dicken Kuss.

Wünsche allen einen guten Morgen.

Jutta Pratsch, ? DES LEBENS FRISCHE? , 2013
www.julebaron.jimdo.com